Glück und Einfachheit

Glück. Ein großes Wort, das viel zu leicht in den Mund genommen wird. Wer vom Glück spricht, meint oft das kurze Aufblitzen, den Moment, der so schnell vergeht wie er gekommen ist. Ein gutes Essen, eine bestandene Prüfung, ein neuer Kauf. Aber alles, was sich erhebt, fällt auch wieder. Wer nach Glück sucht, sucht zugleich nach dem Schatten, der unvermeidlich dazugehört.

Vielleicht geht es nicht um Glück. Vielleicht geht es um Frieden. Um das stille Einverstanden-Sein mit dem, was ist.

Denn alles, was sich gewinnen lässt, kann auch verloren gehen. Alles, was steigt, wird irgendwann sinken. Wer nur dem Glück hinterherläuft, spürt auch die Traurigkeit, die gleich hinter der nächsten Ecke wartet. Deshalb lohnt es sich, den Moment nicht als Besitz zu sehen, sondern als etwas, das einfach geschieht. Ohne Jagd, ohne Anspruch.

Auf dem Meer begreift man das leichter. Man sitzt im Cockpit, das Boot schaukelt sanft, die Segel fangen den Wind. Es gibt Tage, da geht nichts voran – nur zwei Knoten, das Wasser beinahe glatt. Und doch stellt sich etwas ein, das tiefer ist als Freude. Man sitzt da, hört die Wellen gegen den Rumpf schlagen, und spürt: Es reicht. Es muss nichts anderes sein.

Glück will man halten, festklammern, sammeln. Frieden lässt sich nicht festhalten. Er liegt wie ein leichter Film auf den Dingen. Im Moment. Nicht in dem, was kommt oder war.

Einmal segelte ich mit meiner alten Yacht über die Ostsee. Kein schneller Ritt, kein Triumph über Wind und Wellen. Nur gleichmäßiges Ziehen, stundenlang, beinahe monoton. Und gerade darin lag etwas Kostbares. Es gab keine Hast, keinen Grund, irgendwo schneller zu sein. Das Boot, der Himmel, das Meer – mehr brauchte es nicht.

Ich erinnere mich an einen Nachmittag in Andalusien, im Süden Spaniens. Wir verbrachten ein paar Wochen im Süden. So, wie wir es jedes Jahr tun. An diesem Nachmittag gingen durch ein paar staubige Gassen, bis wir ein kleines merendero fanden. Ein Raum ohne Zierrat, ein paar Holztische, eine Handvoll Stühle. Auf den Tellern lag gegrillter Fisch, daneben Brot, ein Glas Wein, fertig. Kein Menü, keine Dekoration. Und doch war da alles: Salz auf der Haut, das Knacken des Brotes, das leise Rauschen des Meeres gleich nebenan. Ein Ort, so schlicht, dass er beinahe unsichtbar war – und genau deshalb unvergesslich.

Vielleicht liegt darin ein Schlüssel. Dass das Wesentliche nicht glänzt, sondern einfach still da ist. Auf See, an Land, in einem Hafen oder in einer Strandbar. Ein Stuhl, ein Tisch, ein Glas Wein. Genug, um satt zu werden. Genug, um still zu sein.

Das einfache Leben auf einem Schiff oder an einem schlichten Ort lehrt, dass Besitz kaum eine Rolle spielt. Zwei Pullover reichen, ein Kocher, ein paar Bücher, etwas Brot, ein Glas Wein. Alles andere ist Ballast. Überflüssiges wirkt auf See nicht nur sinnlos, sondern störend. Es nimmt Platz, Gewicht, Luft. Reduktion bedeutet nicht Verlust – sondern Gewinn an Klarheit.

Vielleicht ist das Glück, wenn es dieses Wort überhaupt braucht, genau das: eine Form von Einfachheit, die nicht mehr nach etwas anderem verlangt. Eine Leichtigkeit, die trägt wie der Wind im Segel. Kein Rausch. Keine Jagd. Nur dieses Einverständnis: Hier bin ich, und es genügt.

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Mommark