Meer.

Das Meer weiß nichts von Überfluss

Es gibt Orte, an denen der Mensch nicht zählen muss. Keine Quadratzentimeter, keine Kalenderwochen, keine Likes. Das Meer ist ein solcher Ort. Es kennt keine Ordnung, keine Etiketten, kein Streben. Es ist einfach da – unermesslich, langsam, gewaltig und gleichgültig gegenüber all dem, was wir in unseren Städten wichtig finden.

Wer mit einem Segelboot hinausfährt, merkt bald, dass sich etwas verändert. Nicht abrupt, sondern leise. Der Lärm des Landes wird kleiner, das Netz verschwindet, das Handy wird bedeutungslos. Übrig bleibt der Wind, das Wasser und das Boot – nicht viel, aber genug. Die Dinge an Bord sind reduziert auf das Notwendige: eine Lampe, ein Kocher, ein Messer, ein Becher, etwas Kleidung, ein Logbuch. Alles hat einen Platz, nichts ist zu viel.

Und doch fehlt nichts.

So in etwa beschreibt es Marc Bielefeld in seinem Klassiker „Wer Meer hat, braucht weniger“. Und deshalb liebe ich das Segeln. Die Fahrt ins Ungewisse. Mit dem Boot. Unter Segeln.

Minimalismus wird oft als Trend beschrieben. Dabei ist er hier draußen kein Ziel, sondern eine natürliche Folge. Niemand braucht fünf Paar Schuhe, wenn man barfuß über das Deck geht. Niemand braucht Unterhaltung, wenn die Wolken Formationen bilden, die Geschichten erzählen. Und niemand vermisst das Sofa, wenn das Cockpitsüll warm ist vom Tag und der Blick in den Himmel reicht.

Das Meer hat keine Ecken. Es duldet keine Unordnung, aber es verlangt auch keinen Perfektionismus. Wer sich ihm anvertraut, muss nicht viel mitbringen – nur Aufmerksamkeit. Und Geduld. Es ist ein Ort, der den Blick auf das Innere freigibt, weil das Äußere schlicht wird.

Man beginnt zu spüren, was genug ist. Und was zu viel war.

Das Segelboot wird dabei zum Werkzeug. Kein Rückzugsort im romantischen Sinn, sondern ein stiller Raum, in dem sich die Dinge auf ein Maß reduzieren, das wieder verständlich wird. Kein Übermaß, keine Ablenkung – nur das, was gebraucht wird, um auf dem Wasser zu bestehen.

Das Meer verlangt keine Antworten. Es fragt nicht, was du erreicht hast oder besitzt. Es fragt nicht, ob du effizient, ambitioniert oder konform bist. Es trägt dich – oder es tut es nicht.

Vielleicht liegt darin seine größte Gnade.

Wer zurückkehrt vom Meer, bringt selten neue Dinge mit. Aber oft eine andere Haltung. Eine, die weniger will. Und mehr versteht.